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405831_540278116034768_1918766678_nBeitrag vom 21.07.13

Hallo Netzwerker,

Der Deutscher Städtetag hat ein, nicht nur für uns, interessantes  Arbeitspapier zur Beteiligungskultur in der integrierten Stadtentwicklung veröffentlicht. Der Text ist in einem schrecklichen beamtendeutsch, bitte lasst Euch davon nicht abschrecken! Für uns nicht nachvollziehbar ist, dass dort erwähnt wird,  die Stadt Leipzig würde an einem Regelwerk für mehr Bürgerbeteiligung arbeiten. Alles was wir im Fall unserer Straße und anderen städtischen Entwicklungen erleben, spricht eindeutig dagegen. Eines der größten Probleme der Bürger, die sich engagieren wollen, es fehlt an Transparenz. Unserer Meinung nach, werden hautsächlich Bürger von denen eher kritiklose, einvernehmliche Meinungsäußerungen  zu erwarten sind, einbezogen. Es gibt ein Konstrukt von Vereinen und Stiftungen in die außer den Regierenden und ihrer Verwaltung nur die Unterstützer unserer  Stadtführung Zugang haben. Von Veranstaltungen und Ergebnissen dieser Gremien erfährt der engagierte, aber kritischische Bürger oft erst im nachhinein, oder wird ausgeladen. Auf den Webseiten dieser  Organistionen ist nicht ersichtlich, welche Personen von Seiten der Stadt und den Bürgern, mit welcher Verantwortlichkeit hinter den jeweiligen Gremium stecken.  Wir wollen alles dafür tun, dass sich diese Zustände bald ändern!  

Zur Einführung:

Die Arbeitsgruppe Bürgerbeteiligung des Deutschen Städtetages (DST) hat ein Arbeitspapier zur »Beteiligungskultur in der integrierten Stadtentwicklung« verfasst. Das im April 2013 veröffentlichte Dokument soll Kommunen ermutigen und dabei unterstützen, eine umfassende kommunale Beteiligungskultur jenseits einzelner Modellprojekte weiterzuentwickeln. In seinen Kapiteln thematisiert es den gesellschaftspolitischen Kontext von Bürgerbeteiligung, skizziert Eckpunkte einer Beteiligungs- und Planungskultur – auch bei (formellen) Planungsverfahren – und formuliert Qualitätsstandards.

Weil das Problem auch uns Netzwerker zunehmend tangiert veröffentlichen hier einige Auszüge aus dem Text. Wer sich von Euch den kompletten Text ansehen will, der findet am Ende des Textes den entsprechenden Link.

Zu Inhalt:

1.2. Wachsende Beteiligungsbereitschaft – Beteiligungshemmnisse

Unter diesen Rahmenbedingungen sind eine erweiterte Beteiligung der Bürgerschaft und die geforderte größere Transparenz von Planungs-und Entscheidungsprozessen mit großen Herausforderungen und enormen Anstrengungen verbunden. Trotz vielfältiger Beteiligungsformen und Mitsprachemöglichkeiten hat offensichtlich ein zunehmender Teil der Bürgerinnen und Bürger den Eindruck, dass Veränderungen ihrer Lebensumwelt über ihre Köpfe hinweg entschieden werden und die Interessen von weniger durchsetzungsfähigen Gruppen unter den Tisch fallen. So sind oft diejenigen benachteiligt, die eher zu den Verlierern des Bildungssystems zählen. „Soziale Ungleichheit wirkt sich somit auch auf die politische Gleichheit aus“ (Koop u.a. 2011: 107). Die Folge ist eine weit verbreitete Skepsis gegenüber Institutionen und Akteuren der Politik.

Gleichzeitig nimmt der Wunsch nach intensiveren Beteiligungsmöglichkeiten zu. In einer Umfrage der Bertelsmann-Stiftung gaben über 80 % der Befragten an, dass sie sich mehr Beteiligungs- und Mitsprachemöglichkeiten im politischen Prozess wünschen. Immerhin 60 % dieser Befragten äußerten zudem ihre Bereitschaft, sich in Form von Bürgerbegehren, Diskussionsforen oder Anhörungen aktiv zu beteiligen (Bertelsmann Change 2011: 18). Die hohe Beteiligungsbereitschaft auf der einen und die Unzufriedenheit mit den etablierten politischen Entscheidungssystemen auf der anderen Seite machen „eine neue Verständigung über Formen lokaler Demokratie und eine lokale Beteiligungskultur … notwendig“ (Bock u. a. 2011: 16).

Deshalb überrascht es nicht, dass sich viele Vorschläge zur Lösung des Dilemmas auf direkt demokratische Instrumente (z. B. Bürgerbegehren, Bürgerentscheid) oder auf diskursive Verfahren (z. B. Bürgerhaushalt, Bürgerpanel) sowie auf selbst organisierte Aktionen wie z.B. Bürgerinitiativen, Unterschriftenlisten etc. als Ergänzung zu den etablierten Instrumenten der repräsentativen Demokratie beziehen. Nur bei wenigen meist sehr aufwändigen Verfahren gelingt es, eine hinreichende Repräsentativität in der Bürgerbeteiligung zu erreichen. Bürgerinnen und Bürger, die sich an Planungsprozessen beteiligen wollen, stoßen zudem auf immer komplexere Sachverhalte und durch rechtliche oder finanzielle Vorgaben des Bundes bzw. der Europäischen Union eingeschränkte kommunale Handlungsspielräume. Oftmals sich über Jahre hinziehende, komplizierte Planungsprozesse sind nicht selten mit wenig transparenten Entscheidungsfindungen im politischen Raum verknüpft. Bei den interessierten und aktiven Bürgerinnen und Bürgern erzeugen solche Verfahren hohe Frustrationen, viele wenden sich ab und beschäftigten sich mit anderen Themen.

1.3. Bürgergesellschaft und Urban Governance : Weiterentwicklung der Beteiligungskultur? (Urban Governanceoft wird übersetzt als städtische Regierungs-, Amts- bzw. Unternehmensführung)

Der Kerngedanke von Urban Governance besteht darin, „dass gesellschaftlich relevante Entscheidungen nicht allein vom Staat gefällt werden, sondern Ergebnis von Aushandlungsprozessen sind, an denen zwar auch staatliche Akteure teilnehmen, in denen diese Akteure jedoch keineswegs alle Fäden in der Hand behalten“ (Nuissl/Hilsberg 2009: 5). Der Urban Governance- Ansatz beinhaltet also im Idealfall trilaterale Kooperationsformen zwischen Kommune, Wirtschaft und Bürgerschaft (Romeike 2009: 41), während in der Praxis eher bilaterale Formen festzustellen sind.

Entwicklungen auch auf kommunaler Ebene entziehen sich zunehmend einer unmittelbaren oder alleinigen politischen Kontrolle und unterliegen vielfältigen Formen einer zivilgesellschaftlichen Einflussnahme durch Mitwirkung und Beratung. Runde Tische, Foren, Agenda 21-Initiativen, und verschiedene Formen von Netzwerken stellen Schritte zur Governance dar, können traditionelle Government-Strukturen aber nicht ersetzen. „Denn sie haben den formalen Status von Vorentscheider-Gruppierungen. Um zu legitimierten Entscheidungen zu kommen, sind sie immer noch abhängig von den legitimierten politisch­administrativen Strukturen, also Gemeinderat, Bürgermeister und Verwaltung“ (Fürst 2007: 6).

In der Partizipationsforschung wird der Governance-Ansatz im Zusammenhang mit der „Bürgerkommune“ als eine weitere Stufe der Verwaltungsmodernisierung (nach der „Ordnungskommune“ und der „Dienstleistungskommune“) diskutiert (vgl. hierzu Sinning, 2005, 579 ff.). Ihre besonderen Merkmale sind:

  • Der Bürger steht im Mittelpunkt der Kommune; das Handeln der Verwaltung ist  auf den Bürger   ausgerichtet.
  • Der Bürger ist nicht nur Empfänger sondern auch „Ko-Produzent“ vonLeistungen und bringt sich so aktiv in kommunale Themen ein. Damit ist er mitverantwortlich für die mit seiner Mitwirkung getroffenen Entscheidungen.

Der öffentlichen Hand kommt in diesem Konzept die Aufgabe zu, die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung durch die Bürgerinnen und Bürger zu fördern und zu stärken. Neben der Bereitstellung der rechtlichen Strukturen stellt eine durchgängige Bürgerorientierung mit dem Ziel einer verlässlichen Beteiligungskultur eine wesentliche Grundlage des kommunalen Handelns dar. Dies bedeutet, dass Verfahren und Techniken auf die unterschiedlichen Zielgruppen abgestellt sein müssen. Gegebenenfalls müssen auch besondere Ressourcen zur Verfügung stehen, damit die Bürgerschaft ihre Angelegenheiten erfolgreich in die Hand nehmen kann (vgl. auch Deutscher Bundestag 2002a: 33).

Ob dieses Leitbild der Bürgerkommune praxistauglich ist, sei dahin gestellt. Kritiker argumentieren, dass es letztlich nur darum gehe, über ehrenamtliches Engagement die öffentlichen Haushalte zu entlasten, eine Privatisierung der Daseinsvorsorge zu rechtfertigen oder für Verständnis bei Leistungseinschränkungen zu werben. Andererseits könnte ein positiver Effekt sein, dass Demokratie so praktisch gelebt werden kann (vgl. Romeike 2009: 106 ff).

Vieles spricht dafür, dass die Entwicklung zur „Bürgergesellschaft“ in zahlreichen kommunalen Handlungsfeldern längst begonnen hat. Die repräsentative Demokratie kann durchaus mit den innovativen Ansätzen der „Bürgerkommune“ bzw. der „Urban Governance“ verknüpft werden. Um das Zusammenwirken von Staat und Gesellschaft im Sinne der Bürgerkommune und der Urban Governance zu ermöglichen, müssen unter Beachtung des § 28 Abs. 2 GG Regelungen gefunden werden, die eine weitgehende Einbeziehung und Beteiligung von Bürgern und Wirtschaft ermöglichen, wie z. B. eine vom Gemeinderat verabschiedete Hauptsatzung, die „Rahmen und Grundlagen für demokratische Prozesse“ in der Kommune enthalten. (Hill 2005: 573). Urban Governance kann sich nur entwickeln, wenn eine „kommunikative Planungskultur“ vorhanden ist, die ein „verlässliches Klima der Dialogbereitschaft“ voraussetzt (Selle 2007b: 70).

Ansätze einer guten und praktikablen Beteiligungskultur liegen in vielen Städten mit der Umsetzung von Projekten der Stadtsanierung vor (insbesondere im Programm „Soziale Stadt“), denen in der Regel ein ganzheitlicher Ansatz zugrunde liegt (vgl. Difu 2003). Auch die Erarbeitung und Umsetzung von Integrierten Stadtentwicklungskonzepten bieten vielfältige Ansatzpunkte für die Weiterentwicklung zu mehr Bürgerorientierung und Beteiligungskultur. Die integrierte Stadtentwicklungsplanung stellt innerhalb der kommunalen Verwaltung eine geeignete Plattform zur Verfügung, um eine Kultur der Beteiligung der Bürgerschaft an kommunalen Planungs- und Entscheidungsprozessen systematisch und strategisch zu entwickeln. Sie nimmt die ökonomischen, ökologischen, sozialen und kulturellen Dimensionen der nachhaltigen Stadt in gleicher Weise in den Blick (vgl. Deutscher Städtetag 2011). Eine verstärkte Einbindung von Bürgerinnen und Bürgern wird die hauptamtliche Arbeit der Verwaltung, ihr Selbstverständnis und ihre Aufgaben verändern – nicht zuletzt, weil von einem erheblichen Unterstützungsbedarf ausgegangen werden kann (vgl. Romeike 2009: 108).

2.     Eckpunkte einer Beteiligungs- und Planungskultur

2.1. Potenziale und Ziele 

Durch die systematische Verknüpfung der Planungs- und Entscheidungsprozesse mit geeigneten Kommunikationsverfahren kann ein strategisches und kooperatives Stadtentwicklungsmanagement entscheidende Beiträge zur Weiterentwicklung einer kommunalen Beteiligungskultur leisten. Politik und Verwaltung sind gefordert, dabei vor allem folgende Kriterien zu erfüllen:

  • Anerkennung der Interessenvielfalt sowie des Selbstbestimmungs- und Mitwirkungsbedürfnisses der Bürgerschaft.
  • Einbeziehung aller sozialen und kulturellen Gruppen der Bevölkerung.
  • Frühzeitige und umfassende Information über beabsichtigte Planungen und Projekte.
  • Wertschätzung und Nutzung der Erfahrungen und des Sachverstandes von Bürgerinnen und Bürgern in allen Planungs- und Entscheidungsprozessen.
  • Kooperative Erarbeitung von Entscheidungsgrundlagen für den Stadtrat in einem öffentlichen und ergebnisoffenen Diskurs.
  • Wirtschaftlicher Umgang mit den knappen städtischen Ressourcen – sowohl im Verfahren als auch bei Lösungsvorschlägen.
  • Aufstellung verlässlicher und verbindlicher Regeln für Beteiligungsverfahren.

Die Ziele für eine Weiterentwicklung einer kommunalen Beteiligungs- und Planungskultur können wie folgt beschrieben werden:

1. Ermöglichung von Teilhabe an der Stadtentwicklung durch

  • Frühzeitige Information über Themen, Verfahren, Zusammenhänge und insbesondere Entscheidungsregeln. Information ist Voraussetzung für alle Beteiligungsverfahren, denn sie fördert die Transparenz, und damit die Akzeptanz politischer Entscheidungen. Informationen müssen für alle Akteure frei zugänglich sein. Dies ist in der Praxis bislang schwer einzulösen, obwohl die technischen Möglichkeiten durchaus vorhanden sind. Hierfür bedarf es eines Paradigmenwechsels in der Informationskultur der öffentlichen Verwaltungen.
  • Mitwirkung (Konsultation), d. h. Betroffene und Interessierte bringen ihre Ideen für Konzepte und Projekte ein. Sie identifizieren sich mit dem Vorhaben, beraten mit ihrem lokalen und spezifischen Wissen die Entscheidungsträger und übernehmen für diese Zusammenarbeit auch die Verantwortung. Wenn die gewählten Repräsentanten der Bürgerschaft diese Form der Politikberatung aktiv einfordern, wird ihre Rolle als Entscheidungsträger im kommunalpolitischen Prozess sogar gestärkt.
  • Mitentscheidung (Kooperation), d. h. Beteiligte können innerhalb eines vorgegebenen Rahmens Entscheidungen treffen, wie dies beispielhaft bei der Verwendung von stadtteilbezogenen Budgets im Programm „Soziale Stadt“ bereits heute möglich ist. Damit übernehmen sie Verantwortung für Maßnahmen und Projekte. Entscheidungen werden in ergebnisoffenen Beteiligungsprozessen ausgehandelt; Kommune, Bürgerschaft, Wirtschaft und weitere Akteure sind gleichberechtigte Partner im Verfahren. Diese weitgehende Form der Beteiligung setzt eine Beteiligungs- und Planungskultur mit allgemein akzeptierten Standards und Regeln voraus. Erreichen von qualitativ besseren Ergebnissen: Durch die Einbeziehung von Kenntnissen und Wissen der Akteure werden unterschiedliche Sichtweisen und Ziele transparent. Diese können die Kenntnisse über die Voraussetzungen und damit die Ergebnisse der Planung verbessern bzw. die Schnittmenge der berücksichtigten Interessen vergrößern. Dies gilt auch, wenn im Rahmen der Beteiligung kein Konsens gefunden wird.

Akzeptanz für Konzepte und Maßnahmen der Stadtentwicklung: Eine breite Zustimmung für Planungsvorhaben wird die Umsetzung der Vorhaben erleichtern und den Aufwand für die politische und juristische Konfliktbearbeitung reduzieren. Darüber hinaus wird Vertrauen aufgebaut, das wiederum Grundlage für eine gute zukünftige Zusammenarbeit ist. Planungsprozesse können sich so verstetigen. (Busch 2009: 96-97).

Mitverantwortung der beteiligten Akteure für gemeinsam erzielte Ergebnisse: Das setzt die Bereitschaft bei Verwaltung und Politik voraus, Bürgerinnen und Bürger weitgehend in Entscheidungen einzubeziehen oder ihnen in einem definierten Rahmen Entscheidungen zu übertragen.

Aktivierung von kontinuierlichem Interesse am Gemeinwesen Stadt: Die Befassung mit unterschiedlichsten Themen der Stadtentwicklung führt zu Lernprozessen und damit zu einer Ausweitung der Kompetenzen bei allen Beteiligten. Diese Lernprozesse beziehen sich nicht nur auf die fachliche Seite, sondern insbesondere auch auf Erfahrungen, eigene Interessen zu artikulieren, diese zu vertreten, dafür Verantwortung zu übernehmen und sich so zunehmend an der Stadtentwicklung zu beteiligen.

Hier findet Ihre den kompletten Text:

http://www.staedtetag.de/imperia/md/content/dst/veroeffentlichungen/mat/mat_beteiligungskultur_2013_web.pdf    IMG-20130504-00410


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